Am Wochenende ist die Digital-Marketeer Szene in Deutschland durchgedreht und zwar im positiven Sinne. Ich persönlich kann mich an keinen Start einer Social App erinnern, die für so viel Diskussionen und FOMO an nur zwei Tagen gesorgt hat.
Bereits am Freitag habe ich die ersten Nachrichten in meiner Twitter Bubble gesehen – seit Sonntag bin ich dann auch „endlich“ dabei! Die neue App „Clubhouse“ ist in Deutschland „angekommen“ und die Kommunikations- und Medienbranche sowie viele Vertreter der Politik sind seit dem Wochenende auditiv stundenlang online und unterhalten sich.
Was für eine Social Media App ist Clubhouse?
Clubhouse wurde bereits im März 2020 in den USA gelauncht und wurde auch dort direkt zum Hype. Sie wurde sogar wenige Monate nach dem Launch schon mit über 100 Millionen Dollar bewertet. Aktuell ist die App noch, nach Aussagen der Entwickler, in der Beta-Phase und daher zum jetzigen Zeitpunkt auch nur für iOS Nutzer verfügbar.
Die Betreiber von Clubhouse selbst bezeichnen den Dienst „Drop-in audio chat“ und das beschreibt es, meiner Meinung nach, sehr gut. Denn es geht rein um Live-Audioinhalte, also wie ein Live-Podcast, in dem aber jeder die Möglichkeit hat, mitzureden.
Wie funktioniert Clubhouse also und warum der ganze der Social-Media-Hype?
Wer einmal angemeldet ist, sieht aktuell laufende Gespräche (sogenannte „Rooms“) seiner Kontakte direkt in der Startansicht. Man kann den Räumen beitreten und ist dann erst einmal nur Zuhörer. Durch die vielen Videokonferenzen im Corona-Jahr 2020, haben inzwischen alle die „Hand heben“ Funktion gelernt. Damit bekommen die Moderatoren eines Raumes ein Signal und können die Person zum laufenden Gespräch auf die sogenannte Bühne dazu holen. Wer auf der Bühne ist, kann sprechen und sich stummschalten. Als Zuschauer lauscht man den Diskutierenden.
Warum der also ganze der Social-Media-Hype? Es mag der altbekannte Trick der Exklusivität das Besondere sein. Denn aktuell kommt in den virtuellen Club nur, wer ein iPhone besitzt und wer ein sogenanntes Invite, also eine Einladung, hat. Für Android gibt es aktuell noch keine Version. Das ist keine Ausgrenzung, so das Clubhouse Team, das sich am Sonntag auch einem ausführlichem AMA („Ask me anything“) der Community stellte. Es gebe im Team momentan einfach keinen Android Entwickler.
Networking Möglichkeiten von Clubhouse
Die Erweiterung des eigenen Netzwerks ist in der App sehr einfach möglich. Dies ist auch etwas, dass ich bereits nach kurzer Zeit sehr schätze. Denn in einem Raum ist der Bereich der Zuhörer zweigeteilt. Die App unterscheidet zwischen Usern, die mit mindestens einem der Bühnengäste vernetzt sind, und weiteren Nutzern. Ich schaue mir bei einem Talk immer an, wer die Sprecher auf der Bühne sind und wer mit ihnen vernetzt ist. Jeder User kann in seinem Profil Infos hinterlassen. Klassischerweise haben die Teilnehmenden aktuell ihre Themen, Job-Infos und Interessen hinterlegt. Zudem ist die Verknüpfung des Twitter und Instagram Kontos möglich. So kann ich auf einen schnellen Blick erkennen, ob mich interessiert, was der Nutzer zu sagen hat oder wofür er steht. Mit einem einfachen „follow“ werde ich zum Kontakt und ab dem Zeitpunkt per Push-Nachricht informiert, sobald der Kontakt einen Raum eröffnet oder plant.
In Clubhouse ist es zudem auch möglich Themen oder thematischen Clubs zu folgen. Auch dann werde ich informiert, wenn ein Talk stattfindet. Räume eröffnen kann übrigens jeder. Es gibt keine verschiedenen Account-Modelle – zumindest noch nicht.
Was mir persönlich an Clubhouse gefällt
Mehr Möglichkeiten als live miteinander zu sprechen gibt es aktuell in der App nicht: es gibt keinen Chat, es gibt keine Emojis, es gibt keine Applaus-Funktion. Warum also der Hype? Es ist einfach und selbsterklärend. Wer drin ist, versteht sehr leicht wie die App funktioniert. Ich habe in einigen Räumen gelauscht und mich an manchen Diskussionen beteiligt. Wahrgenommen habe ich aktuell in der Blase einen sehr wertschätzenden Umgang miteinander. Man ließ sich ausreden. Wer nicht „dran“ war, schaltete das Mikrofon aus. Der Umgangston war freundlich, auch wenn verschiedene Sichtweisen diskutiert wurden. Das hat etwas sehr wohltuendes in der aktuellen Social Media Welt, wo der Ton durch Querdenker, Impfgegner und Co. schnell aggressiv wird.
Auch die schnelle Vernetzung mit mir bisher unbekannten Personen aus den Themenfeldern, die mich interessieren, ist klasse. Zudem sind die Räume „Hierarchie-frei“. Sobald ein Moderator jemanden auf die Bühne holt, kann die Person sprechen. So kommen eben auch direkte Gespräche mit Promis und Politikern zu Stande. Ob Dorothee Bär, Christian Lindner, Thomas Gottschalk – sie alle sind Nutzer der ersten Stunden und schalten sich aktiv in Gespräche ein.
In Zeiten von Corona haben sich viele an Videokonferenzen gewöhnt und es ist zum daily business geworden. Das war im Jahr 2020 spannend zu sehen, da wir als Marketingagentur bereits seit Jahren remote arbeiten und Videocalls zum täglichen Arbeiten dazugehören. Aber es haben sich bei Videogesprächen bereits Unsitten eingeschlichen, wie ich finde. Menschen klicken nebenbei woanders hin, tippen noch schnell eine Mail, unterbrechen sich mit Aussagen wie „Ach, da läuft ja deine Katze durchs Bild“, Gespräche kommen ins stocken durch die typischen 2020er-Sätze wie „Du bist auf mute“ oder „Deine Kamera ist noch aus“… Wir kennen es alle. Clubhouse ist anders, weil es eben nur auf das Auditive ankommt und Ablenkungen nicht gegeben sind. Ich nehme, nicht nur bei mir persönlich, ein aufmerksames Zuhören der Diskutanten wahr. Das finde ich erfrischend anders – auch weil man es von unterwegs machen kann, weil man dabei Kochen, Aufräumen, Wäsche waschen, spazieren gehen usw. kann.
Bleibt es bei dem Hype oder setzt sich Clubhouse durch?
Gerne würde ich in die Zukunft sehen 😉 Da ich das nicht kann, obliegt mir nur eine persönlich Meinung. Ich glaube, dass das Potential der App da ist. Das Suchtpotential ist ähnlich wie bei TikTok und man vergisst sehr schnell die Zeit. Das ist schon ein wichtiger Faktor.
Es bleibt abzuwarten, wie schnell die Beta-Phase abgeschlossen ist und wie sich die Gespräche entwickeln, wenn die breite Masse Zutritt bekommt. Hier sehe ich Risiken, aber auch Chancen für einen echten Bürgerdialog mit der Politik oder auch AMAs und Klärung von FAQs im Tourismus. Tägliche oder wöchentliche Updates aus Destinationen an die Gäste oder Vermittlung von Infos in Krisenzeiten sind nur ein paar Beispiele, wie Clubhouse im Tourismus genutzt werden kann. Daher kann Clubhouse als Ergänzung zum Marketing Mix funktionieren.
Wir haben zu dem Thema Tourismusbranche einen ersten Clubhouse Talk bereits zusammen mit Maike und Joachim von Intensive Senses durchgeführt. Und wir bleiben dran. Folgt mir also gerne auf Clubhouse 😉 Dann werdet ihr automatisch informiert. Ihr findet mich unter @ulrike oder einfach Ulrike Katz.
Das sollten wir nicht außer Acht lassen: Clubhouse hat aktuell noch Fallstricke
Rechtsanwalt Thomas Schwenke hat blitzschnell die Social App angeschaut und eine juristische Einschätzung veröffentlicht. Lest sie Euch durch. Denn es ist gut, dass wir in Deutschland und der EU den Datenschutz ernst nehmen. Aber ich möchte mir den Spaß am Ausprobieren eines neuen Tools nicht nehmen lassen und bleibe daher weiter dran und probiere Clubhouse aus. Ihr wollt Euch austauschen oder vernetzen? Hier findet ihr meine Kontaktdaten.