Der Fachkräftemangel im Tourismus ist in aller Munde. Fakt ist: Die Touristik hat ein Nachwuchsproblem und dies nicht erst seit der Corona-Pandemie. Die vergangenen Jahre haben jedoch durch Kurzarbeit, Entlassungen, Streichung von Boni und Weiterbildung, entsprechenden Presseberichterstattungen, sowie auch häufig zu wenig Dialog zur unternehmerischen Lage zwischen Geschäftsführung und Mitarbeitenden dafür gesorgt, dass die Lage dramatischer geworden ist.
Wer es bis jetzt nicht verstanden hat, wird voraussichtlich in naher Zukunft seine Geschäfte aufgrund fehlenden Personals einstellen oder zumindest drastisch reduzieren müssen. Wir sehen es bereits in Teilen in der Gastronomie.
Was ich leider oftmals in Gesprächen feststelle: der Fachkräftemangel in Unternehmen ist, meiner Meinung nach, oft hausgemacht. Firmen müssen sich, wenn es um die Anwerbung von jungen Touristiker:innen geht, auf eine neue Generation einlassen. Dies fordert ein Umdenken in der Unternehmensführung, sowie auch unternehmerischen Mut, jungen und unerfahrenen Mitarbeitenden Kompetenzen zu übertragen. Dabei müssen sie gefördert, gefordert und bei Bedarf aufgefangen werden.
Im Rahmen einer virtuell gestreamten Bereichsversammlung der Säule E im DRV, die bei Amadeus im Frühjahr 2022 stattfand, haben wir uns zum Thema „Fachkräftesicherung im Tourismus“ ausgetauscht. Meine damaligen Kernaussagen folgen hier in Kurzfassung.
Kernaussagen von Ulrike Katz zum Thema Fachkräftemangel und Fachkräftesicherung in der Touristik
Ein paar Tage vor unserer virtuellen Bereichsversammlung habe ich im reisevor9 Newsletter etwas Interessantes entdeckt. Zwei Themen, die im Widerspruch zueinander stehen und das aktuelle Problem der Touristik aufzeigen. Denn wir haben folgende Ausgangslage im Bereich Fachkräftemangel:
Das World Travel and Tourism Council sieht die weltweite Reisebranche bis 2032 mit einer jährlichen Steigerungsrate um 5,8 Prozent auf dem Wachstumspfad. Damit werde das touristische Wachstum mehr als doppelt so hoch sein wie das der Weltwirtschaft. Binnen zehn Jahren sollen so 126 Millionen neue Jobs entstehen; der Anteil der Reisebranche an der weltweiten Wertschöpfung werde dann mehr als elf Prozent betragen, so die Prognose. Quelle: reisevor9 vom 22.4.2022
Azubi-Zahlen haben neuen Tiefststand erreicht – Wirklich überraschend ist das Ergebnis nicht, wohl aber dramatisch: 2021 begannen laut Statistik des Deutschen Industrie- und Handelskammertag magere 465 Berufseinsteiger ihre Ausbildung zu Tourismuskaufleuten. Damit sank 2021 die Zahl der Azubis insgesamt auf 1.927, ein Jahr zuvor waren es noch 3.177. Quelle: reisevor9 vom 22.4.2022
Im Rahmen der Diskussion vor Ort haben wir verschiedene Möglichkeiten diskutiert, die dem Fachkräftemangel entgegenwirken können. Meine Anmerkungen aus dem Panel:
- Viele Unternehmen müssen hinsichtlich des bestehenden Fachkräftemangels umdenken und ihre oft starre und gewohnte Personalpolitik anpassen. Die GenZ möchte mitgestalten. Ihr ist ein Dialog und ein offenes Miteinander wichtig. Dazu gehören zum Beispiel regelmäßige Team-Gespräche zur Zukunft des Unternehmens sowie die gemeinsame Erarbeitung von Werten des Unternehmens und das regelmäßige Hinterfragen dieser Werte.
- Eine „Gerne per Du“ Unternehmensphilosophie vom Azubi bis zur Geschäftsführung oder auch Wordings wie Mitarbeiter:innen vs. Kolleg:innen lockern mögliche Hierarchie-Barrieren.
- Einer der wichtigsten Punkte ist die individuelle Förderung der Mitarbeitenden, wie auf die Person zugeschnittene Boni, Extra-Leistungen und Weiterbildungsangebote. Die neue Generation wächst mit On-Demand Diensten wie Video- und Musik-Streaming auf. Sie ist es daher gewohnt und erwartet auch, individuell behandelt zu werden.
- Junge Menschen haben manchmal noch keine genaue Vorstellung vom Arbeiten in der Touristik. Praktika oder Werkstudent:innen-Jobs sind da sehr gute Möglichkeiten. Leider bieten viele Unternehmen diese nicht mehr an. Wir profitieren sehr davon und freuen uns, dass unser Praktikant Lorenz und Werkstudentin Chiara von ihren Erlebnissen und Erfahrungen bei uns berichten.
- Die aktuell besonders wichtige Bindung von Mitarbeiter:innen wird in der Diskussion um das Thema Fachkräftemangel oft vergessen. Wir müssen nicht nur junge Menschen überzeugen, die Touristik als zukünftige Branche zu wählen. Viele Touristiker:innen haben während der Pandemie der Branche ihren Rücken gekehrt. Dies muss unbedingt gestoppt werden und hier ist jedes Unternehmen selbst gefordert.
- Selbstbestimmtes Arbeiten, zu dem auch die Themen Arbeitsort und Remote Work in Bürojobs gehört, wird von Mitarbeiter:innen nach zwei Jahren Pandemie vorausgesetzt. Unternehmen, die sich darauf nicht einstellen, werden weiter Personal verlieren.
Einen Rückblick auf die Bereichsversammlung mit weiteren Ideen der anderen Panel Teilnehmer:innen rund um die Themen Fachkräftemangel und -sicherung bekommt ihr auf der DRV Website.
Über den Deutsche Reiseverband (DRV): (Quelle)
Der Deutsche Reiseverband (DRV) repräsentiert die Reisewirtschaft in Deutschland. Als Spitzenverband bündelt der DRV eine bedeutende Wirtschaftskraft. Seine Mitglieder stehen für den größten Teil des Umsatzes im Reiseveranstalter- und Reisemittlermarkt. Die Tourismusbranche bietet rund 3 Millionen Arbeitsplätze. Mehrere Tausend Mitgliedsunternehmen, darunter zahlreiche touristische Dienstleister, machen den DRV zu einer starken Gemeinschaft, die die vielfältigen Interessen vereint.